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Was passiert mit Syrisch-Orth. Christen im Irak

Letzte Änderung am Montag, 24. Oktober 2022



Hunderttausende irakische Christen sind auf der Flucht. Die EU-Innenminister wollen nun über ihre Aufnahme beraten. Hintergründe erläutert Kamal Sido von der Gesellschaft für Bedrohte Völker im Gespräch mit DW-WORLD.DE:

DW-WORLD.DE: Wie ist die aktuelle Situation der Christen im Irak?
Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Dr. Kamal Sido von der Gesellschaft für Bedrohte Völker
Kamal Sido: Den Christen im Irak, das sind die Chaldäer, die syrisch-orthodoxe Kirche und die Assyrer, geht es sehr schlecht, vor allem seit 2003 die Amerikaner einmarschiert sind. Die drei großen Religionsgruppen, die Schiiten, die Sunniten und die Kurden im Norden haben sich de facto selbständig gemacht und verfügen über eigene Milizen. Die Christen hingegen wohnen nicht in einem kompakten Gebiet, sie haben keine eigene Miliz und sind zwischen die Fronten geraten, sie können sich nicht selbst verteidigen. Das gilt natürlich auch für die anderen Minderheiten, wie die kurdischen Yeziden, die Schabbak oder die Mandäer.
Welche Auswirkungen hat das auf den Alltag der Christen dort?
Sie sind direkt bedroht von Gewalt, Tod, Vergewaltigung und Vertreibung. Ihre Kirchen werden in die Luft gesprengt, junge Menschen werden entführt, und sei es nur von einfachen Verbrechern, die Geld erpressen wollen. Denn im Irak herrscht das Vorurteil, dass die Christen reich sind und dass man bei ihnen Lösegelder erpressen kann. Meist werden die Menschen trotzdem auf grausame Art und Weise getötet.
Warum werden sie verfolgt?
Jede Ethnie oder Religionsgemeinschaft im Irak ist darum bemüht, das Gebiet, in der sie lebt, "sauber" zu halten. Die Sunniten wollen unter sich sein und die Schiiten auch, deswegen kommt es zu Vertreibungen. Außerdem hat sich seit 2003 der Islam im Irak radikalisiert. Mittlerweile gibt es eine Zusammenarbeit zwischen dem internationalen Terrorismus wie Al-Kaida und den lokalen Gruppen. Das hat zu einer antichristlichen Atmosphäre geführt. Man wirft den Christen auch vor, dass sie angeblich mit den Amerikanern kollaborieren. Aber das stimmt nicht. Wenn jemand mit den Amerikanern zusammen arbeitet, dann sind es die Kurden im Nordirak und nicht die Christen in Bagdad oder Mossul.
Was hat sich seit dem Einmarsch der Amerikaner verändert?
Zu Beginn des Irakkrieges lebten noch eine Million Christen im Irak, heute sind es nur noch 350.000, also mehr als die Hälfte hat das Land verlassen. Sie sind nach Jordanien gegangen, nach Syrien in die kurdischen Gebiete des Nordirak. Und die, die Geld haben, gehen nach Europa.
Das heißt, eigentlich ging es den Christen unter Saddam Hussein besser?
Das würde ich nicht sagen, aber viele haben ein unauffälliges Leben geführt. Wenn allerdings die Christen politisch aktiv waren, wurden sie genauso wie die anderen auch unterdrückt. Die Chaldäer und die Assyrer haben genauso gelitten, wie die Kurden damals. Auch ihre Dörfer wurden mit Giftgas von Saddam Hussein angegriffen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Christen im Irak: Wird es dort überhaupt welche in Zukunft geben?

Deswegen hat die Gesellschaft für Bedrohte Völker in der Vergangenheit immer wieder auf das Thema aufmerksam gemacht. Wir fordern einen Drei-Stufen-Plan: erstens sollten alle Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, aufgenommen werden und zwar ohne großen bürokratischen Aufwand. Und die, die schon hier sind, sollten nicht zurück in den Irak abgeschoben werden. Zweitens fordern wir, dass christlichen Flüchtlingen in Syrien und Jordanien geholfen wird, wenn wir wollen, dass eine fast 2000-jährige Geschichte jetzt nicht zu Ende geht. Und drittens muss vor Ort Hilfe geleistet werden: vor allem in Irakisch-Kurdistan und in der so genannten Ninive-Ebene, nordöstlich von Mossul, wo die Christen mehrheitlich zu Hause sind, da muss man helfen.


Dr. Kamal Sido wurde 1961 in Syrien geboren. Er studierte in Moskau Geschichte und Orientalistik und arbeitet heute als Nahost-Referent bei der Gesellschaft für Bedrohte Völker in Göttingen.

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