Christen unterm Halbmond – ein neues Buch von Rudolf Grulich
Köngistein – Viele Königsteiner, vor allem die Mitarbeiter des Hilfswerkes Kirche in Not und die Mitglieder der Kolpingfamilie, kennen die Vorträge und Artikel von Professor Dr. Rudolf Grulich über die Lage der Kirchen in islamischen Staaten, insbesondere in der Türkei. Der Kolpingfamilie hat er im Rahmen einer Studienfahrt auch Istanbul nahe gebracht. Beim Besuch von Papst Benedikt XVI. Ende November 2006 kommentierte Grulich als Türkeiberater von „Kirche in Not“ die beiden Messen des Papstes in Ephesus und in der Heilig-Geist-Kathedrale für das Bayerische Fernsehen. Nun erschien im Augsburger St. Ulrich-Verlag ein neues Buch von ihm: „Christen unterm Halbmond. Von der Osmanischen Türkei bis in die moderne Türkei“. Auf 176 Seiten findet der Leser alle wesentlichen Aspekte des Christentums in diesem Lande, in dem es bis zum Ersten Weltkrieg noch Millionen zählende Christen verschiedener Kirchen, Riten und Konfessionen gegeben hatte. Sie machten damals noch ein Viertel der Bevölkerung aus gegenüber den heutigen 0,15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Autor hat sich bei der Darstellung die Sache nicht leicht gemacht, sondern bringt die verschiedenen komplizierten historischen und politischen Gegebenheiten, die zum Rückgang der Christen führten. Es klammert den Völkermord an den Armeniern ebenso wenig aus wie die Mitschuld der griechischen Regierung in Athen, die 1919 glaubte, die nach dem Ersten Weltkrieg geschwächte Türkei siegreich angreifen zu können und dadurch die „Kleinasiatische Katastrophe“ auslöste. Anstelle einer Einleitung bringt Grulich einen Brief an einen türkischen Freund und versucht darin, Vorurteilen und Ignoranz mancher Türkeigegner die Spitze zu nehmen. Wie in seinem Buch „Konstantinopel. Ein Reiseführer für Christen“, für den vor zehn Jahren Otto von Habsburg ein Vorwort schrieb, bemüht sich Grulich um historische Wahrheit und Objektivität. Manchen notorischen Islamgegnern wird das Buch sicher zu türkenfreundlich vorkommen, während sich die Türken an den Fakten über die „Endlösung“ der Armenier und Assyrer und über die Vernichtung christlichen Lebens in Anatolien stören werden. Die ehrliche Sicht der Probleme ist nach Meinung des Verfassers die einzige Chance, gemeinsam als Christen und Muslime aus der Vergangenheit zu lernen. Grulich zeigt auf, dass die Osmanische Türkei, deren Staatsoberhaupt als Sultan auch Kaiser (Padischah) und Kalif war, im 19. Jahrhundert toleranter war als die heutige Türkei im 21. Jahrhundert, die in die Europäische Union möchte. Wenn 1839 und 1856 der Sultan Religionsfreiheit gewährte bis hin zur Möglichkeit des Übertrittes vom Islam zum Christentum, dann war das auch ein Erfolg der Europäischen Mächte, die sich für die Rechte der Christen in der Türkei einsetzten. Warum tun das heute die EU-Staaten so wenig? Man kann nur allen, die sich mit Europa, dem Christentum und dem Islam beschäftigen, diese Neuerscheinung empfehlen: Für den interessierten Leser wird das Buch eine Entdeckungsfahrt sein: Ob Minderheiten und Volksgruppen in der Türkei, Religionen und Konfessionen, Kirchen und Gotteshäuser, das Thema von Vertreibung und Verfolgung in der griechischen und türkischen Literatur – Grulich zeigt sich als Kenner des Landes. Für jeden, der über die Frage der Aufnahme der Türkei in die Europäische Union mitreden will, sollte das Buch Pflichtlektüre sein.
Rudolf Grulich, Christen unterm Halbmond. Von der Osmanischen Türkei bis in die moderne Türkei. St. Ulrich-Verlag, Augsburg 2008. 176 Seiten. Euro 16.80
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