Recep Erdogan leistete sich am Weltwirtschaftsforum in Davos einen weiteren Eklat. Wutentbrannt reiste der türkische Ministerpräsident am Donnerstag vorzeitig in die Türkei zurück. In einer Gesprächsrunde über den Nahen Osten wurde zuerst Israel hart kritisiert. Die beiden Sprecher, einer von ihnen Erdogan, erhielten 28:47 Minuten Sprechzeit
In der Folge rechtfertigte der israelische Staatspräsident Simon Peres das Vorgehen seines Landes und stellte seinen Standpunkt dar. Peres sprach exakt 21 Minuten.
Erdogan quengelt Nach seinem Votum wäre die Diskussion gemäss Programm beendet worden. Doch Erdogan riss das Wort an sich. Nachdem er dem Gesprächsleiter eine Minute Sprechzeit abgerungen hatte, ritt er eine Verbal-Attacke um die andere gegen Israel. Als er nach zwei Minuten mit seiner Tirade immer noch nicht zu Ende war, versuchte der Gesprächsleiter zusehends vehementer, den in Fahrt geratenen Erdogan zu stoppen. Dieser stand schliesslich wutentbrand auf und wurde ausfällig: "Sie lassen mich hier nie etwas sagen." Dabei hatte Erdogan selbst mehr als einen Viertel der Gesprächsrunde bestritten. Dennoch stapfte er wutentbrannt davon: "Davos ist erledigt für mich. Ich komme hier nie wieder hin."Ein Besucher äusserte sich in der "Bild" schockiert: "Mit seinem Antisemitismus stellt sich Erdogan in eine Reihe mit den Israel-Hassern im Iran."
Erdogan hinter Gittern Es ist nicht das erste Mal, dass sich Erdogan hetzerisch zeigt. Für eine Rede, die er im April 1998 hielt, musste er gar ins Gefängnis: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unserer Helme und die Gläubigen unsere Soldaten." Nach seinem Aufenthalt hinter Gittern stellte er sich als geläutert dar. Seine Eklats zeigen aber, dass er weder den Islamismus abgestreift hat, noch dass er demokratisch denkt - beides hatte er vor der Jahrtausendwende von sich behauptet.
Zwei enorm ungleiche Ellen Immer wieder zeigt sich der EU-Beitrittslüsterne Staatschef undemokratisch und als Elefant im Porzelanladen. Für eine Welle der Entrüstung sorgte er etwa im Februar 2008 in der Köln-Arena mit der Behauptung: "Assimilierung ist ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"." Als hätte Deutschland nicht schon genügend Probleme mit einem beachtlichen Teil türkischer Einwanderer und das obschon der Integrationsaufwand jegliche Bodenhaftung vermissen lässt.
Genau eine solche Assimilierung fordert aber die türkische Regierung von Aramäer also türkischen Christen, egal ob sie in der Türkei oder im Ausland leben. Sogar in der Schweiz drängt die türkische Botschaft, dass sie ihre Identität ablegen sollen. So stellen sich türkische Behörden auch im Ausland quer, wenn Aramäer ihren Kindern christliche Namen geben. Da stellt der Türken-Premier eine doch sehr eigenwillige Auffassung von Demokratie zur Schau. Wer etwa in der Türkei den Völkermord an verschiedenen christlichen Minderheiten als solchen bezeichnet (1915 bis 1918, rund 1,5 Millionen Tote), dem wird wegen "Beleidigung des Türkentums" der Prozess gemacht.
"Israel raus aus der UNO!" Rassistisch und einseitige Angriffe zeigt Erdogan mit besorgniserregender Häufigkeit, als er Mitte Januar 2009 forderte, dass Israel aus der UNO ausgeschlossen wird. Weil Israel sich weigerte, eine Aufforderung der UNO zu befolgen, die Waffen ruhen zu lassen. Faktenressistent kennt der Regierungschef im Nahen Osten nur einen Schuldigen. Der türkische Staatschef zeigt sich damit auf einem Auge blind. Sonst hätte er verschiedene weitere UNO-Ausschlüsse fordern müssen, darunter auch den der Türkei. Seit Jahrenzehnten führt die sudanesische Regierung einen Vernichtungskrieg gegen Schwarzafrikaner im eigenen Land. Mehr als zwei Millionen Schwarzafrikaner starben. Seit mehreren Jahrzehnten werden Assyrer und Aramäer in der Türkei getötet oder in die Flucht getrieben. Ebenfalls in Angriffsbemühungen und nicht weil diese Volksgruppen selbst ins Feld gezogen wären. Im eigenen Land wären also genügend Baustellen. In Davos hat der türkische Regierungschef die Maske verrutscht. Er hat unterstrichen, dass er viel austeilen aber wenig einstecken kann - und dass er eines nicht ist: ein Demokrat, der sich an die Spielregeln hält.
Autor: Daniel Gerber Quelle: Livenet.ch Datum: 31.01.2009
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