Nach der Anerkennung des Völkermords an den Armeniern sagt der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan aus Protest einen für nächste Woche geplanten Besuch in Schweden ab.
Erdogan reagierte mit der Absage der Schweden-Reise auf eine Resolution des Stockholmer Reichstages, mit der der Massenmord an Armeniern und anderen ethnischen Gruppen 1915-18 im Osmanischen Reich als Völkermord eingestuft wird. Die Türkei hat auch ihre Botschafterin aus Stockholm bis auf weiteres abgezogen.
Der schwedische Aussenminister Carl Bildt distanzierte sich unterdessen von der mit einer Stimme Mehrheit verabschiedeten Erklärung des eigenen Parlaments. Er schrieb in seinem Blog: «Die Geschichte durch Abstimmungen im Reichstag zu politisieren, ist alles andere als konstruktiv.» Es beunruhige ihn vor allem, dass dies von Reformgegegnern in der Türkei ausgenutzt und der Versöhnungsprozess zwischen Türken und Armeniern gestoppt werden könne.
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Die Abstimmung im schwedischen Parlament wurde von zahlreichen Zuschauern verfolgt.
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Heftiger Kampf um «Völkermord»
Mit knapper Mehrheit hat das schwedische Parlament am Donnerstag überraschend die umstrittene Resolution verabschiedet, mit der der Völkermord während des Ersten Weltkriegs in der Türkei anerkannt wurde. Die Resolution wurde gegen den Willen der Mitte-rechts-Regierung mit 131 zu 130 Stimmen angenommen. 88 Abgeordnete waren während der Abstimmung im 349-köpfigen Parlament in Stockholm nicht anwesend. Historiker schätzen, dass im Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Armenier und hundertausende Aramäer (Chaldäer, Assyrer) sowie Pontus-Griechen von Türken getötet wurden, viele Forscher sprechen vom ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Die Türkei leugnet den Völkermord weiterhin vehement und hat wiederholt erklärt, die Zahl der Toten sei übertrieben, und die Armenier seien Opfer von Bürgerkrieg und Unruhen geworden. Der Auswärtige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses hatte in der vergangenen Woche einen ähnlichen Entschliessungsantrag angenommen. Fraglich ist aber, ob der Resolutionsentwurf auch dem Plenum zugeleitet wird. Trotzdem rief die Türkei aus Protest ihren Botschafter in den USA zurück.
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Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan sagt den geplanten Schweden-Besuch ab.(Bild: Reuters)
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